Der Spalter Bockl
Bahnhof Spalt

Geschichte

Als um 1840 die Ludwigs-Süd-Nord-Bahn zwischen Lindau und Hof entstand, hoffte auch Spalt auf einen Anschluß an diese Strecke, da die Planungen eventuell auch einen Streckenverlauf von Georgensgmünd über Spalt nach Gunzenhausen vorsahen. Realisiert wurde dann aber die Trasse von Pleinfeld nach Gunzenhausen. Damit war für Spalt der Bahnanschluß vorerst in weite Ferne gerückt. Nachdem der Spalter Hopfen auf verschiedenen Ausstellungen mit Preisen ausgezeichnet worden war, 1867 in Paris sogar mit einer Goldmedaille, beschloß man 1868, eine eigene Austellung zu veranstalten. Diese Ausstellung verdeutlichte das Problem der fehlenden Bahnanbindung. Die vielen auswärtigen Besucher wären mit der Bahn schneller und bequemer angereist. Die Lösung des Problems war das am 29.4.1869 in Bayern verabschiedete "Vizinalbahn-Gesetz". Dieses Gesetz regelte den Bau von lokalen Bahnlinien, ohne staatliche finanzielle Beteiligung. Der Bau einer solchen Bahnlinie mußte ausschließlich durch kommunale Mittel bewerkstelligt werden. Artikel 2 des "Vizinalbahn-Gesetz":

"Bahnen von lokaler Wichtigkeit sollen vom Staate oder durch Privatunternehmung hergestellt werden. Sie sollen nur unter der Voraussetzung Aussicht auf Unterstützung haben, wenn für dieselben die Grunderwerbung und die Herstellung der Erdarbeiten ohne Inanspruchnahme von Staatsfonds gesichert ist."

Ein positiv ausgefallenes Gutachten über das Aufkommen von Fracht und Reisenden veranlaßte die Stadt Spalt, die Projektkosten zu übernehmen. Die bayerische Regierung gab ihre Zustimmung, und so konnte im April 1870 die Trasse abgesteckt werden. Für den Bau der Bahnlinie wurden 410000 Gulden veranschlagt. Die Stadt Spalt mußte davon 80000 Gulden übernehmen. Um Kosten zu sparen, wurden nach der Genehmigung durch die Eisenbahnbausektion Nürnberg Steine der abgebrochenen Spalter Stadtmauer für die Fundamente der Hochbauten verwendet. Nach dem Baubeginn im Herbst 1871 erreichte am 18.September 1872 der erste Zug Spalt. Er wurde, wie es damals so üblich war, mit großem Jubel und Böllerschüssen von der Bevölkerung in Empfang genommen. Am 16.Oktober 1872 wurde der Betrieb nach Fahrplan mit drei Zugpaaren aufgenommen. Für die Fahrt nach Georgensgmünd benötigte der Zug in der Anfangszeit 25 Minuten. Der Fahrplan von 1873:

Spalt-GeorgensgmündGeorgensgmünd-Spalt
StationenLokal-Züge 2. u. 3. Klasse StationenLokal-Züge 2. u. 3. Klasse
390392394 389391393
Spalt 7.40 11.55 5.55 Nürnberg 7.10 1.30 5.10
Georgensgmünd 8.05 12.20 6.20 Georgensgmünd 8.25 2.35 6.50
Nürnberg 9.50 1.30 7.40 Spalt 8.50 3.00 7.15

Neben dem Empfangsgebäude wurden auf dem Stationsgelände ein Güterschuppen und ein 2-ständiger Lokschuppen gebaut. Im Lokschuppen waren eine Wohnung für den Lokführer und ein Zimmer für den Heizer untergebracht. Zu Beginn gab es zwischen Georgensgmünd und Spalt keine Haltepunkte, aber drei Bahnwärter- und 2 Wechselwärterhäuschen.
Erst im Mai 1892 wurde der Haltepunkt Wasserzell eingerichtet. Im April 1897 kam noch der Haltepunkt Hügelmühle dazu. Beide Haltepunkte wurden jedoch 1922 bzw. 1924 schon wieder aufgegeben. Als Ersatz dafür wurde der Haltepunkt Großweingarten eingerichtet.

Bahnhof Spalt

   Der Bahnhof um 1990.

Die Strecke lebte hauptsächlich vom Ausflugsverkehr und vom Hopfenanbau. Während der Hopfenernten wurden Sonderzüge eingesetzt, um Hilfskräfte zum Hopfenzupfen nach Spalt zu fahren. Transportiert wurden aber nicht nur Hopfen, Bier und Reisende. Auch sogenannte "Schüblinge" sind mit dem Bockl gefahren. Das waren Insassen des Gefängnisses in Roth, die zum Hopfenzupfen nach Spalt verschubt wurden.
Als am 16. August 1911 ein Großfeuer in Spalt ausbrach, wurden die Feuerwehren aus Roth und Georgensgmünd mit dem Bockl nach Spalt gefahren. Am nächsten Tag wurde sogar ein Sonderzug eingesetzt, um die Schaulustigen nach Spalt zu bringen.
In den dreißiger Jahren konnte man des öfteren eine außerplanmäßige Leerfahrt aus Richtung Spalt beobachten:
der Glaskasten transportierte auf seiner Pufferbohle eine Fuhre Mist für das neben dem Gleis gelegene Feld des Lokführers.
Die Hauptlast des Verkehrs bewältigten Lokomotiven der >Baureihe 98.3, von denen die 98 307 bis Oktober 1962, als letzte ihrer Gattung, die Nebenbahn befuhr. Als Nachfolgerinnen des Glaskastens waren Diesellokomotiven der Baureihen V 20 (bis 1964), V 60 (bis 1965) und Köf III im Einsatz.

Gleisplan des Spalter Bahnhofes

   Gleisplan des Spalter Bahnhofes mit drei Doppelkreuzungsweichen.

Arbeiten zum Unterhalt der Strecke wurden im Laufe der Jahre auch durchgeführt. 1934 erhielt die Strecke einen neuen Unterbau und neue Schienen. Die Bahnübergänge in Georgensgmünd und Wasserzell wurden nivelliert. 1963 wurden die Holzschwellen gegen Stahlschwellen ausgetauscht und neue Schienen verlegt. Der Bahnübergang in Wasserzell wurde mit einer Blinklichtanlage ausgestattet. Eines dieser Blinklichter wurde noch vor der Inbetriebnahme der Anlage durch einen Unfall beschädigt. Ein aus Richtung Spalt kommender Lastzug übersah den aus Spalt kommenden Zug und wurde auf dem Bahnübergang von der Lokomotive erfasst und in zwei Teile gerissen. Am LKW, der Spalter Hopfen geladen hatte, und an der Lokomotive entstand hoher Sachschaden. Der Fahrer des Lastwagens blieb unverletzt, der Beifahrer wurde nur leicht verletzt. Ende 1964 wurde zum erstenmal über eine Stillegung des Personenverkehrs diskutiert. Da sich aber die betroffenen Gemeinden für einen Erhalt der Strecke einsetzten, konnte die Einstellung des Personenverkehrs bis 1969 hinausgezögert werden. Der letzte Personenzug fuhr am 27. September 1969 um 19.30 Uhr im Bahnhof Spalt ein. Geblieben ist bis Anfang der 90er Jahre der Güterverkehr. Die Endstation und drei Gleissanschlüsse sorgten noch für regelmäßigen Verkehr. Bedient wurden die Anschlüsse durch Köf III und Lokomotiven der Baureihe 290.

   In der Nähe von Hügelmühle.

Ein Highlight gab es noch im August 1985, der ADLER (Nachbau von 1935) befuhr als Komparse einer siebenteiligen Fernsehserie die Strecke zwischen Georgensgmünd und Spalt.

1994 beschloß die Bundesbahn die endgültige Schließung der Strecke. Aus diesem Grund fanden am 16. April, am 1.Mai und im September 1995 Abschiedsfahrten mit Dampfloks statt. Eingesetzt wurden die ELNA 6 und die V 36 der Dampfbahn Fränkische Schweiz, außerdem die Baureihe 86 der Deutschen Bahn. Die angebotenen Fahrten waren restlos ausgebucht, und der Spalter Bahnhof erlebte einen in seiner Geschichte wahrscheinlich einmaligen Andrang.

Mit dem Abriss der Gleise Anfang Februar 1997 endete nach 124 Jahren die Geschichte des Spalter Bockl. Fast - denn das Empfangsgebäude in Spalt bleibt zum Glück erhalten. Nach der Renovierung des alten Bahnhofs, werden jetzt mit großem Erfolg Konzerte und Theateraufführungen veranstaltet. Deshalb darf er sich nun "Kulturbahnhof" nennen. Die Bockl-Trasse blieb erhalten, sie wurde zu einem Radweg zwischen Georgensgmünd und Spalt ausgebaut. Und wenn man den Berichten glauben darf, wurde das erste Fahrrad, das die ganze Strecke bezwungen hat, 1999 ohne großen Jubel und ohne Böllerschüsse in Spalt empfangen.

Im Sommer 2000 wurde auf einem verbliebenen Gleisstück am Spalter Bahnhof ein offener Güterwagen aufgestellt, "um das Areal am Kulturbahnhof um ein symbolträchtiges Stück Nostalgie zu erweitern". Danach suchte man noch einen geschlossenen Güterwagen "um das Ensemble zu komplettieren". Das eine Wägelchen machte halt doch recht wenig her.

   Ein Stück Nostalgie - ein Rungenwagen.

Auch im Jahr 2001 gab es wieder Neuigkeiten! Die Gemeinde Georgensgmünd und die Stadt Spalt legten zusammen einen neuen Lehrpfad an. Er wurde "Gmünder Planetenweg" genannt. Der Lehrpfad informiert auf einer Länge von sieben Kilometern über unser Sonnensystem. Für ca. sechs Kilometer benutzt der Lehrpfad dabei die Trasse des abgebauten Spalter Bockl. Zwischen der Sonne in Georgensgmünd und dem Planeten Pluto am Bahnhof in Spalt werden alle Planeten des Sonnensystems mit Hilfe von Schautafeln erklärt. Die Radfahrer und die Skater wird es freuen.

Im Spätsommer 2001 wurde auf einem zweiten Restgleis das "Ensamble" komplettiert, ein geschlossener Güterwagen wurde aufgestellt. Dieser Güterwagen, ein ehemaliger Dienstwagen vom Nürnberger Rangierbahnhof, beinhaltet sei Frühjahr 2004 einen sehr sehenswerten 1:87 Nachbau des Spalter Bahnhofs. Auf über neun Metern Länge wurde er von einer kleinen engagierten Gruppe von Modellbahnfreunden perfekt im Zustand der Fünfzigerjahre nachgebildet.

   Der Güterwagen mit dem spannenden Inhalt!

Wer ins Seenland fährt, sollte sich vorher unbedingt beim Spalter Fremdenverkehrsamt erkundigen wann Betrieb gemacht wird.

Übrigens:
Seit dem 15. Oktober 2019 gibt es im Museum HopfenBierGut in Spalt eine sehr lohnenswerte Sonderausstellung zum Thema Spalter Bockl!
Die Ausstellung wird noch bis Ende 2020 zu sehen sein.

 

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